Als im März 1955 die Nachricht vom Tod Charlie Parkers New York erschütterte, hatte die Presse ihren Skandal: »Bop-König stirbt im Apartment reicher Erbin«. Wer war diese Frau, in deren Hotelsuite das Saxophon-Genie seine letzten Stunden verbrachte? Die mit Thelonious Monk oder Miles Davis in ihrem weißen Bentley Cabrio nachts von Jazzclub zu Jazzclub fuhr und als »Neger-Hure« beschimpft wurde? Pannonica Baronesse de Koenigswarter, geborene Rothschild, was schon immer die Rebellin ihrer berühmten Familie gewesen: Sie hatte unter de Gaulle gegen Deutschland gekämpft, war Bomber geflogen und Jeeps gefahren. Nun hatte sie ihr ödes Leben als Diplomatengattin hinter sich gelassen und in New York eine neue Leidenschaft entdeckt: Die Millionen-Erbin half den schwarzen Musikern mit Geld und großem Herz, sie kümmerte sich um Kranke, sorgte für Auftrittsgenehmigungen – und wurde so zur Schutzpatronin des Bebop. Jazzgenies von Monk bis Horace Silver widmeten ihr eigene Songs. Und Clint Eastwood setzte ihr in »Bird« ein filmisches Denkmal. Hannah Rothschild erzählt das stürmische Leben ihrer Großtante von der Kindheit in englischen Schlössern, der abenteuerliche Flucht vor den Nazis und den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkriegs bis zu den Abgründen des schwarzen Amerika der sechziger Jahre.
4. Christina – Königin von Schweden: Das rastlose Leben einer europäischen Exzentrikerin
Ein ganz und gar unmögliches Mädchen, Königin wollte sie eigentlich gar nicht sein – und nicht nur deshalb war sie bereits zu Lebzeiten so berühmt und so berüchtigt wie kaum je eine andere Regentin vor ihr. Christina, Königin von Schweden, dankt mit 28 Jahren ab, tritt ein knappes Jahr später öffentlich zum katholischen Glauben über und zieht nach Rom, in die Stadt ihrer Sehnsucht. Sie will weder heiraten noch Kinder kriegen. Sie ist eine gute Jägerin und hasst Handarbeiten, Alkohol und Trunkenheit. Ihre Stimme ist dunkel, sie bewegt sich wie ein Mann und trägt nach ihrer Abdankung gern Männerkleidung. Die Frage ihrer Sexualität ist bis auf den heutigen Tag ein willkommener Anlass zu den wildesten Spekulationen. Veronica Buckley zeichnet den Lebensweg Christinas in den unruhigen Zeitläufen Europas des 17. Jahrhunderts nach. Ihre Darstellung ist gespickt mit Fakten, Anekdoten, Zitaten und kuriosen Funden, die das politische, religiöse und geistige Leben der Zeit zum Leuchten bringen.
Dieses schon klassische Buch präsentiert berühmte Exzentriker aus dem unerschöpflichen englischen Fundus. Das genial entworfene Bild einer britischen Tugend, die von kontinentalen Beobachtern häufig fassungslos belächelt, in England aber als selbstverständlicher Bestandteil der Alltagskultur geschätzt und seit Jahrhunderten gepflegt wird: der Exzentrik. Sie vereint Aristokraten und Dienstpersonal, Bürger und Künstler, Stadt und Land und die beiden Geschlechter im hemmungslosen Zelebrieren ihrer Individualität. Dame Edith Sitwell, selbst Exzentrikerin von höchsten Graden, hat ihnen ein bleibendes Denkmal errichtet.
Marchesa Luisa Casati (1881-1957) war eine der schillerndsten Celebritys Europas. Mit ihren Lebens- und Liebesgeschichten erstaunte und faszinierte die italienische Adelige den Kontinent: Sie sammelte Palazzi und eine Menagerie von exotischen Tieren in Venedig, Rom, Capri und Paris. Maler und Bildhauer porträtierten sie, Dichter priesen ihre fremdartige Schönheit und Modedesigner warben um ihre Gunst. Zu ihren Verehrern zählten Gabriele D’Annunzio, Man Ray, Kees van Dongen oder Jack Kerouac. Noch zu Beginn des Jahrhunderts als reichste Erbin Italiens umschwärmt, musste sie verarmt in den 1930er Jahren nach London fliehen, wo sie, unterstützt von Freunden, bis zu ihrem Tod 1957 lebte.
Leider gibt es nur wenig Literatur über Exzentriker. Der Autor hat sich die Mühe gemacht, die erste und wahrscheinlich einzige großangelegte Studie zu diesem Thema zu verfassen. Hunderte von Exzentrikern wurden befragt, analysiert und ihre Lebensgewohnheiten betrachtet. Auch historisch wurde das Thema aufgearbeitet. Abgesehen, dass dieses Buch ein hinreißender Abstechen in die Vergangenheit ist, mit Geschichten zum Schmunzeln und Lachen, ist es ebenfalls eine wissenschaftliche Arbeit. Das „Anders-Sein“, was so oft ausgrenzt steckt in jedem von uns.
Exzentrik: Die Sehnsucht nach dem Anderssein
„Exzentrik“ hat mich schon als Kind interessiert, da meine Großtante Mia, von vielen für „exzentrisch“…
Liebe Christa, Du bist wirklich die Wildeste. Deine Energie ist unversiegbar. Deine Newsletter sind alle göttlich..
Liebe Christa – Es ist immer eine grosse Freude Deinen Newsletter zu lesen. Ich bin schon sehr froh, dass diejenigen welche anders sind noch immer in der Minderheit sind. Denn sonst wären plötzlich welche die nicht anders sind anders und die Menschheit müsste den Verlust aller Exzentriker beklagen. Zum Glück sind wir nicht soweit und es gibt sie noch!
Meine These ist, der Gegenpart des Exzentrikers ist der Zentriker. Und DAZWISCHEN liegt der Mainstream. wie bei einer Gausskurve der dicke Bauch mit den 2 gegensätzlichen Enden.
Zentriker wären dann extrem „zentriert“, in der Mitte ruhend und wären wohl auch lohnenswertes Ziel von dringend nötiger Forschung. Manche als Exzentriker Bezeichnete sind eigentlich Zentriker und somit auch „Abweichler“ vom Mainstream.
Vielen Danke für diese interessanten Worte ! Herzlichst Christa