Der Herbst – die Jahreszeit, in der Literatur in voller Blüte steht. Mit jeder kühlen Brise steigt die Spannung, während wir auf die Verkündung der Gewinner des Deutschen, Österreichischen und Schweizer Buchpreises blicken. Neben großen nationalen Preisen wie dem Georg-Büchner-Preis gibt es auch viele kleinere Auszeichnungen wie den Ingeborg-Bachmann-Preis oder den Hermann-Hesse-Preis. Rund 200 renommierte Literaturpreise werden im deutschsprachigen Raum jedes Jahr vergeben, und auch in den benachbarten Ländern ist diese Zeit ein Fest des literarischen Glanzes.
In Frankreich, wo es etwa 150 Literaturauszeichnungen gibt, richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die strahlenden Träger des Prix Goncourt, und in Italien, mit rund 100 Preisen pro Jahr, auf die des Premio Strega. Doch die Krönung der Herbstmonate bleibt der Literaturnobelpreis – das Ereignis, das die Welt in Atem hält. Seit 1901 wurden 102 Männer und 17 Frauen mit dieser höchsten Auszeichnung, gestiftet von Alfred Nobel, dem Erfinder des Dynamits, gewürdigt.
Neben bekannten anderen Preisen wie dem Booker Prize, der seit 1969 englischsprachige Meisterwerke ehrt, oder dem Pulitzer-Preis, der herausragende Leistungen in Journalismus und Literatur feiert, gibt es auch eine Vielzahl ungewöhnlicher, kurioser Preise, die das literarische Spektrum erfrischend ergänzen. So etwa der Diagram Prize for Oddest Title of the Year, der den skurrilsten Buchtitel auszeichnet – ein Preis, der aus Langeweile auf der Frankfurter Buchmesse 1978 vom Buchhändler Bruce Robertson ins Leben gerufen wurde. 1979 wurde erstmals das Werk „Berichte der Zweiten Internationalen Arbeitstagung über Nacktmäuse“ ausgezeichnet. 2010 gewann „Wie man eine Zahnarztpraxis nach der Art von Dschingis Khan leitet“ und 2015 „Zu nackt für die Nazis“. Weitere Titel und Details“ finden sich hier:
Ebenso (britisch) humorvoll ist der Bad Sex in Fiction Award, ein jährlich von der renommierten britischen Zeitschrift Literary Review an einen zeitgenössischen Romanautor vergebener Preis der die missglücktesten Sexszenen in der Literatur aufs Korn nimmt. Ziel des Preises ist es, „die Aufmerksamkeit auf die kruden, geschmacklosen, oft nachlässig geschriebenen und redundanten sexuellen Passagen in modernen Romanen zu lenken, um solche künftig zu verhindern“. Der Preisträger wird mit einer „modernen, semiabstrakten Skulptur, die Sex vage andeutet geehrt.
Ein weiterer origineller Preis ist der Ig Nobel Prize (von ignoble: „unwürdig, schmachvoll, schändlich“), der wissenschaftliche Arbeiten würdigt, die zuerst zum Lachen und dann zum Nachdenken anregen. So wurde der Physiker Robert Matthews für seinen Nachweis ausgezeichnet, dass Toasts tatsächlich meist auf die gebutterte Seite fallen. Diese satirische Auszeichnung feiert Entdeckungen, die sowohl absurd als auch tiefgründig sind. Außerdem muss das Forschungsthema neuartig sein; niemand darf vorher eine ähnliche wissenschaftliche Arbeit abgeliefert haben.
In Frankreich verleiht der Prix Goncourt des Lycéens („Goncourt-Preis der Oberstufenschüler“) jungen Lesern eine Stimme.
Schließlich darf der Prix de la Page 112 nicht unerwähnt bleiben – ein einzigartiger Preis, der ausschließlich auf der Qualität der Seite 112 eines Buches basiert. Der Name und das Prinzip sind von einer Szene und einer Zeile aus Woody Allens Film Hannah und ihre Schwestern inspiriert. Dort schenkt der Hauptdarsteller der Frau, die er liebt, ein Buch und drängt sie, eine Passage daraus zu lesen, damit sie seine Gefühle errät: „Vergiss nicht das Gedicht, Seite 112“. Da diese Seite romantisch und sogar „magisch“ ist, beurteilen die Jurymitglieder zunächst die Seite 112 eines Romans, um zu entscheiden, ob das gesamte Buch gelesen werden muss, um für den Preis in Frage zu kommen. Die Jury ist der Meinung, dass Seite 112 die beste ist, da sie sich im „weichen Bauch“ der Erzählung befindet, einem Punkt, an dem ein „allgemeiner Aufmerksamkeitsabfall“ vermutet wird. Der Preis basiert auf der Annahme, dass der Anfang und das Ende eines Romans immer von den Autoren und Lektoren besonders gepflegt werden. Eine ungewöhnliche, aber faszinierende Art, Literatur zu beurteilen.
Und schließlich einer meiner absoluten Lieblingspreise: der Prix de Café de Flore, ein französischer Literaturpreis, der 1994 von dem Schriftsteller Frédéric Beigbeder ins Leben gerufen wurde. Die Verleihung findet jedes Jahr im November im gleichnamigen Café im Viertel Saint-Germain in Paris statt – einem Ort, an dem ich zahllose Stunden verbracht habe, bei unzähligen Tassen Kaffee, während ich Künstler beobachtete und das literarische Flair genoss. Der Preis würdigt junge französischsprachige Autoren, die nicht zwingend aus Frankreich stammen müssen. Der Gewinner erhält einen Scheck über 6.100 Euro und – was ich besonders liebe – ein Glas Pouilly Fumé, in das der Name des Autors eingraviert ist. Dieses Glas darf ein ganzes Jahr lang beliebig oft im Café de Flore nachgefüllt werden – ein kleines, aber charmantes Detail, das den Zauber dieses Preises ausmacht.
Interessant finde ich auch die Shorty Awards, eine jährliche Preisverleihung, die die besten Kurzform-Texte auf Twitter und ähnlichen sozialen Medien würdigt. In einer Ära schwindender Aufmerksamkeitsspannen wird derjenige gefeiert, der es schafft, seine Botschaft prägnant in weniger als 140 Zeichen zu vermitteln.
Manchmal kann auch die Teilnahme an einem „kleinen“ Wettbewerb ein literarisches Talent zum Vorschein bringen und die Karriere beschleunigen. So gewann die französische Lehrerin Anna Gavalda den Wettbewerb „La Plus Belle Lettre d’Amour“ (der schönste Liebesbrief), organisiert vom Radiosender France Inter, was ihr den Weg zu einer erfolgreichen Schriftstellerkarriere ebnete. Ein prominentes Beispiel aus Österreich ist Thomas Bernhard, dessen literarischer Durchbruch ebenfalls durch einen Wettbewerb gefördert wurde, als er den Preis der Gruppe 47 gewann. Oder Wolfgang Bauer, der 1966 mit seinem Stück Magic Afternoon den Literaturpreis des Forum Stadtpark gewann. Dieser Wettbewerb war für Bauer der Beginn einer erfolgreichen Karriere im Theater und in der Literatur. Solche Wettbewerbe und Auszeichnungen spielen oft eine zentrale Rolle dabei, die Werke von Autoren ins Rampenlicht zu rücken und ihnen den Weg zu einer breiteren Anerkennung zu ebnen.
Also, worauf wartest du noch? Hier ist die Liste der kommenden Literaturwettbewerbe:
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