Am 2. Juni verwandelte sich die Altstadt von Montreux in ein Zentrum der Literatur. Zusammen mit drei lesebegeisterten Nachbarinnen, sowie der “Association de la Vieille Ville de Montreux” organisierte ich den Literaturtag, der zum dritten Mal stattfand. Doch dieses Jahr wurde ich gefragt, ob ich die Leitung übernehmen würde – eine Ehre und Herausforderung, die ich mit Begeisterung annahm. Doch dieses Jahr wurde ich gefragt, die Leitung zu übernehmen – eine Herausforderung, die ich mit Begeisterung annahm. Die Möglichkeit, hinter den Kulissen zu wirken und das Event zu gestalten, anstatt selbst zu lesen, faszinierte mich. Natürlich alles auf Französisch.
Montreux hat seit jeher eine magische Anziehungskraft auf Künstler ausgeübt. Vladimir Nabokov lebte fast 20 Jahre im Hotel Montreux Palace und ließ sich von der atemberaubenden Landschaft inspirieren. Hans Christian Andersen schrieb hier in einem besonders kalten Winter 1844 seine berühmte „Schneekönigin“, während Rainer Maria Rilke, der im nahe gelegenen Wallis lebte, aber seine letzten Tage in einer Klinik in Montreux verbrachte und dort an Leukämie starb. Die malerische Kulisse verzauberte auch Literaten wie Ernest Hemingway, Leo Tolstoi und Lord Byron, der bei seinem Besuch im Chateau de Chillen zu sein dramatisches Gedicht „Der Gefangene von Chillon“ inspiriert wurde. Jean-Jacques Rousseau schrieb an den Ufern des Genfersees seinen berühmten Briefroman „Julie oder Die neue Heloise“ und machte damit die Gegend international bekannt. Noch ein faszinierendes Detail: Mary Shelley schrieb ihren berühmten Roman “Frankenstein” während eines vollkommen verregneten Sommeraufenthalts am Genfersee mit ihrem späteren Ehemann Percy Bysshe Shelley, dem Dichter Lord Byron und anderen Freunden.
Dieser Sommer ging als das “Jahr ohne Sommer” in die Geschichte ein, als Folge der Eruption des Vulkans Mount Tambora im Jahr 1815. Aufgrund des schlechten Wetters verbrachte die Gruppe viel Zeit im Haus. Eines Abends schlug Byron vor, dass jeder in der Runde eine Geistergeschichte schreiben sollte. Dies inspirierte Mary Shelley zur Idee für “Frankenstein”. Sie träumte von einem Wissenschaftler, der eine lebendige Kreatur aus toten Körperteilen erschafft und damit schreckliche Konsequenzen heraufbeschwört. Dieser Traum wurde zur Grundlage ihres Romans. Sie alle waren fasziniert von der unvergleichlichen Schönheit Montreux’ und seinem grandiosen Panorama, das ihre Werke beflügelte und ihnen neue kreative Höhen erschloss. Zu den Dichtern gesellten sich auch Komponisten wie Igor Strawinsky, welcher sich in seinem Hause bei Montreux ausgiebig mit Maurice Ravel austauschte. Klaviervirtuosin Clara Haskil fand ebenso wie andere prominente Zuwanderer – auf der Flucht vor Revolutionen, Kriegen und Skandalen oder einfach nur wegen Altersbeschwerden – am Genfersee ein friedvolles Zuhause.
Der Komponist Richard Strauss schuf an seinem Lebensabend in Montreux ein rührendes Vermächtnis mit seinen «Vier letzten Liedern», welche die ebenfalls in dieser Region ansässige Starsopranistin Barbara Hendricks fest in ihr Repertoire aufnahm.
Es überrascht daher nicht, dass in der Region regelmäßig Literaturfestivals stattfinden, das bekannteste „Le livre sur les Quais“ in Morges. Was ich dabei gelernt habe? Unzählige wertvolle Lektionen!
Um möglichst viele Generationen zu begeistern und ein vielfältiges Publikum anzusprechen, planten wir ein abwechslungsreiches Programm. Passende Musik untermalte das gesamte Event und verstärkte die Atmosphäre. Für die Kleinen rollte ein Bibliobus voller spannender Geschichten und Abenteuer an, während ein Gitarrist aus der Altstadt fröhliche Kinderlieder spielte. Jugendliche und junge Erwachsene konnten sich bei mitreißender Slam Poetry austoben, die von lebhafter Musik begleitet wurde. Dass auch Slam Poetry zur Literatur zählt, war vielen neu.
«Benito Mussolini kam einst hier in die Altstadt.» … So erinnerte sich eine Zeitzeugen aus der Altstadt an dieses Ereignis, das von ihren Eltern immer und immer wieder erzählt wurde. Der damals noch blutjunge «Duce» kam 1922 als Weinhändler nach Montreux und aß und trank in der Altstadt mit dort lebenden Italienern.
Auch Größen der Musikszene fanden in den 1980er Jahren anlässlich des Montreux Jazz Festivals den Weg in die Altstadt und mischten sich unter die Bewohner. Carlos Santana sah ich selbst regelmäßig in Montreux herumspazieren. Chris Squire, der legendäre Bassist und Mitbegründer von Yes erzählte in der kleinen Gemischtwarenhandlung von den wilden Zeiten des Rock ‘n’ Roll.
Sechs Autoren/innen gaben uns die Ehre, darunter einige preisgekrönte Schriftsteller. Emmanuelle Robert, nominiert für den Schweizer Buchpreis 2023, und Laurence Voïta, mehrfach ausgezeichnete Krimiautorin, lasen am 2. Juni aus ihren neuesten Werken. Laurence präsentierte ihr Buch „La Gingolaise“, in dem die faszinierende Geschichte von Charles Guérin erzählt. Dieser Söldner aus dem 18. Jahrhundert entpuppte sich bei seinem Tod überraschend als Frau. In ihrem bewegenden Roman nähert sich Voïta diesem geheimnisvollen Charakter mit großer Sensibilität. Eine „Gingolaise“ ist eine Einwohnerin von St-Gingolph, einem Dorf, gegenüber von Montreux am anderen Ufer gelegen. Leider sind diese Bücher noch nicht ins Deutsche übersetzt.
Sabine Dormond begeisterte mit ihren packenden Geschichten, während Matteo Salvatore aus seinem neuesten Krimi vorlas. Olivier Chapuis brachte das Publikum mit seinem Buch “Chocolat” in eine süße Versuchung. Gisela Raeber fesselte das Publikum mit ihrer bewegenden Erzählung über verpasste Chancen und verlorene Träume dreier Paare.
Alle Bücher hatten einen Bezug zur Region. Es war ein Tag, an dem die Altstadt von Montreux in literarischem Glanz erstrahlte und alle Besucher in eine Welt voller Geschichten, Musik und Emotionen entführte.
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Liebe Christa,
herzliche Gratulation- Du wirst eine inspirierende Verantwortliche sein. Und Dein beitrag zu Montrteux und den interessanten Menschen, die dort lebten ist super. Auch die Literatur Empfehlungen. Du verstehst es zu begeistern! Danke.
Ushi
Spannender Bericht – ich wusste, dass Montreux ein spezieller Ort ist und nun ein magischer!