Eine Biografie? Wer braucht so etwas?

„Wer über sich schreibt, der bleibt“, so denken viele. Biografien gehören zu den beliebtesten Büchern. Ich möchte herausfinden, was die Faszination dieser Lebenserinnerungen ausmacht und wie man seine eigene Biografie schreiben kann. Zuerst ein paar Statistiken: Im Jahr 2022 gab es in der deutschsprachigen Wikipedia 905.485 Biografien, was 32% aller Einträge entspricht (davon waren 17% Biografien über Frauen). Ein Leben verläuft so unterschiedlich und hängt von vielen Zufällen ab. Lebensgeschichten zeigen auf, was es bedeutet, seinen eigenen Weg zu gehen. „Jeder trägt in sich ein Buch“, heißt es in einem Artikel im Guardian 2022, der sich mit dem Boom von Biografien auseinandersetzt. (Link zum Artikel) 

Tatsächlich kann man von einem Biografie-Boom sprechen, nicht nur in literarischer Hinsicht. Wer etwas auf sich hält, verfilmt sein Leben als Serie (wie Elton John). Heutzutage ist man kein richtiger Star, wenn man noch keine eigene Doku, Filmbiografie (Biopics) oder gedruckte Memoiren im Programm hat. Das Selbstdarstellungs-Genre boomt. Wer hat noch nicht, wer will nochmal? Sogar in die Welt der Comics haben Biografien Einzug gehalten. Ob Hitchcock, Beethoven oder Warhol: Derzeit erscheinen massenweise Comicbiografien. Das gezeichnete Leben berühmter Persönlichkeiten verspricht hohe Verkaufszahlen. Und schließlich Musicals: über Kaiserin Elisabeth, Tina Turner, Carole King, Whitney Houston, etc. 

Für diesen Beitrag habe ich Sonja Hauber befragt, die seit 2007 als Biografin, Texterin und „Ghostwriterin“ tätig ist. 

Sonja Hauber – Lebensbilder
lebensbilder.at

„Die Person, für die ich schreibe, steht im Mittelpunkt“, sagt Sonja Hauber und ihre Leidenschaft für das Schreiben von Familiengeschichten, Firmenjubiläen und Lebensbildern (wie auch der Name ihrer Firma lautet), ist offensichtlich. „Ich verfasse Texte für Menschen so, dass sie sagen können: ‚Ja, genau so habe ich es erlebt. So war es aus meiner Sicht.‘

„Nach meinem BWL-Studium und einem beruflichen Umfeld, das von analytischem Erfolgsdenken geprägt war – also Kopf über Herz – ist es wunderbar, nun „nahe am Menschen“ arbeiten zu dürfen. Meine Rolle ist die einer Begleiterin, die es anderen ermöglicht, ihre Lebensgeschichte autobiografisch zu erzählen. Aus diesem Grund erscheint mein Name auch nicht auf dem Buchumschlag.

Ich bemühe mich, historische Details zu überprüfen, aber grundsätzlich bilden die Erzählungen meiner KundInnen die Basis für meine schriftstellerische Tätigkeit. Dass sich zum Beispiel Geschwister an ihr Aufwachsen unterschiedlich erinnern, ist völlig normal. Ich versuche, die Sprache der ErzählerInnen und ihre speziellen Ausdrücke zu verwenden, damit ihre ‚Stimme‘ wiedererkannt wird. Gemeinsam mit Bildern und Familiendokumenten entsteht das Layout des Buches. 

In meinen 15 Jahren als Biografin war es meistens so, dass mich die „mittlere“ Generation kontaktiert hat, um die Erzählungen ihrer Eltern aufschreiben zu lassen. Sie wollten, dass die regelmäßig erzählten und überlieferten Geschichten nicht verloren gehen. Ich stelle bei solchen Familien oft ein hohes Maß an humanistischen Werten fest.  

Es kann Gründe geben, besser kein gemeinsames Schreibprojekt zu starten, zum Beispiel wenn ich deutliche Verbitterung und Hassgefühle auf andere spüren würde oder das eigene Leben mit großer Überheblichkeit geschildert wird. Als ich begann, gab es nur zwei Ghostwriter – mich und einen Kollegen am Bodensee.  Es war damals ein sehr ungewöhnliches Berufsbild. Wenn ich im privaten Kreis erklärte, was ich beruflich mache, folgten gerne Fragen, wie: ‚Wer braucht so etwas? Kann man davon leben?‘ Heute hingegen ist es nicht mehr ungewöhnlich, sein Leben zu reflektieren und autobiografisch zu erzählen.“

Auf meine Frage nach kuriosen Geschichten antwortet Sonja Hauber mit großer Zurückhaltung: „Ich möchte keine Grenzen überschreiten und nichts von den Geschichten preisgeben, die mir erzählt wurden, ob lustig, kurios oder berührend. Ich achte sehr auf Diskretion.“ Ihr Lieblingszitat stammt von Kierkegaard: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“

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