Meine Buchtipps im Juni – von Schriftstellerinnen und Denkerinnen, die ich persönlich kenne und schätze – und euch wärmstens weiterempfehle!
5. Denkzeiten
Sandra von Siebenthal
Seit ein paar Monaten warte ich täglich gespannt auf Sandra von Siebenthals Blog „Denkzeiten“ – sie versteht es stets zu überraschen, eine Fülle an Wissen gut durchdacht weiterzugeben und sowohl aktuelle als auch längst vergessene Werke wieder aufblühen zu lassen. Sandra von Siebenthal ist eine Literaturkritikerin, Philosophin und Buchliebhaberin, die sich Fragen stellt wie: “Was ist der Mensch? In was für einer Welt lebt er? Wie findet er sich darin zurecht?” Sie ist fest davon überzeugt, dass die Gedanken und Geschichten, die sich zwischen Buchdeckeln finden lassen, das Leben bereichern und neue Denkanstöße für mögliche Lebenswege bieten. Ihre Schwerpunkte liegen in den Bereichen Ethik, Moralphilosophie, Politische Philosophie und Sozialphilosophie. Ihr Blog ist mitreissend, reich an Inhalten und regt zum Lesen und Nachdenken an. Sehr empfehlenswert!
4. Mojas Stimmen
Ruth Loosli
Ruth ist eine liebenswerte und vielseitige Schriftstellerfreundin. Mit ihrem Buch über eine Mutter-Tochterbeziehung gibt sie uns Einblick in eine sehr persönliche Erfahrung. Paula, eine Witwe im Alter von etwa 60 Jahren, steht vor der Herausforderung, dass ihre 25-jährige Tochter Moja aufgrund einer psychischen Erkrankung erneut zu einem hilflosen Kind wird. Paula durchlebt eine Achterbahn der Gefühle, von Entsetzen und Trauer über Hilfsbereitschaft bis hin zur Wut. Moja zieht sich häufig zurück und befindet sich in ihrer eigenen Welt, in der sie mit ihren “Stimmen” kommuniziert. Ruth Loosli erzählt mit großer Liebe von den Ereignissen und den Rettungsversuchen einer Mutter, die berührend die Abdrift und das stille Leiden ihrer psychisch erkrankten Tochter erlebt, begleitet von Hoffnungsschimmern und Momenten der Verzweiflung. Was zunächst als Ich-Erzählung beginnt, wandelt sich zu einer Erzählung in der dritten Person, wobei abwechselnd das Erleben von Paula und Moja gezeigt wird.
Die Mutter muss zeitweise die Verantwortung für ihr geliebtes Kind an eine Klinik abgeben, da Moja sich weigert, regelmäßig Medikamente einzunehmen. Mutter und Tochter befinden sich in einem prekären Seiltanz der Emotionen, während Moja allmählich an Selbstständigkeit verliert. Dennoch bleiben sie einander zugewandt und erleben auch friedliche und liebevolle Momente. Ein wirklich mutiges Buch !
3. Ostprinzessinnen tragen keine Krone: Das überraschende Leben der Katja H. Eine biografische Erzählung.
Cornelia Heynen-Igler
Viele von euch kennen Cornelias kluge und humorvolle Kurzgeschichten, ihr unvergleichlicher Sprachwitz wirkt wie Champagner . Da solltet ihr unbedingt auch ihre amüsantes und lehrreiches Buch über das Leben der Katja H. lesen !
Katja H., die Tochter eines ehemaligen ranghohen DDR-Offiziers, reflektiert über ihr ebenso turbulentes wie schillerndes Leben. Als Nesthäkchen wächst sie in einer behüteten Umgebung innerhalb ihrer Familie auf, was einerseits viele Privilegien mit sich bringt, aber andererseits auch gewisse Zwänge für das heranwachsende Mädchen bedeutet. Im DDR-Familienidyll zeigen sich erste Risse und Spannungen, die sich nach der Wende deutlich verstärken.
Katja, die während des Mauerfalls im Jahr 1989 gerade einmal zwanzig Jahre alt ist, genießt die neue, grenzenlose Freiheit in vollen Zügen. Doch nach bewegten Jahren in der Schweiz lernt auch sie die hässliche Kehrseite des Kapitalismus kennen: Eine abenteuerliche Achterbahnfahrt zwischen der High Society in New York, endlosen Sommern auf Ibiza und dem ernüchternden Arbeitsalltag in Berlin beginnt. Und natürlich ist dies auch eine Geschichte über die Liebe – über ihren Zauber, aber auch über ihre zerstörerische Kraft, die alles vernichten kann.
2. Leonora – Eine Überfahrt
Ursula Pecinska
Bei ihrem zweiten Buch macht Ursula Pecinska sich auf in die Welt von Ibsen’s Nora. In 21 Briefen, beginnend am Montag, 1. Januar 1900, beschreibt Leonora ihrer Freundin Christine in Norwegen, was aus ihrem Leben geworden ist, nachdem sie 1880 Mann und Kinder verliess, nach Manchester auswanderte; mitten ins Herz der Industrialisierung, wo Marx und Engels in der Bibliothek über Texten gebrütet haben, welche die Geschicke der Welt erschüttern werden, wo Suffragetten gegen die tradierten Geschlechterrollen aufbegehrten, wo die Friedensbewegung unermüdlich den Weltfrieden anstrebt und wo erste Kooperativen neue sozial- und gesellschaftspolitische Wege gingen.
Die Briefe handeln von der Kraft der Freundschaft und wie sich Leonora ein Leben errungen hat, das so viel grösser und reicher geworden ist, als sie es sich in ihren kühnsten Träumen vorzustellen wagte.
1. Hallagatas- das Tagebuch der Krisztina
Ursula Pecinska
Vor vielen Jahren habe ich »Hallgatás. Das Tagebuch der Krisztina« gelesen und war sofort zutiefst berührt. Mittlerweile durfte ich Ursula Pecinska kennenlernen und bin noch mehr von ihr begeistert…„Ein Debüt der außergewöhnlichen Art, berührt, wühlt auf, versetzt uns in eine andere Zeit. Hunderttausende haben den Roman »Die Glut« von Sándor Márai gelesen und sich gefragt, was Krisztina in ihr Tagebuch geschrieben hatte. Vielleicht dies. Ursula Pecinska gelingt es, ein Geheimnis zu lüften, ohne die Schönheit des Geheimnisses zu verletzen.
Sándor Márais Roman Die Glut aus dem Jahr 1942 bildet den Echoraum für Ursula Pecinskas Hallgatás. Das Tagebuch der Krisztina. Wo Márai den Leser in rätselhafter Ungewissheit zurücklässt, knüpft Ursula Pecinska geschickt an die Geschichte der Freunde Konrád, Henrik und dessen Frau Krisztina an und schafft mit ihrem Tagebuch eine literarische Kulturgeschichte.
Ursula Pecinska gelingt eine für sich stehende, berührende Erzählung, die es – auch ohne Kenntnis des Kontextes – vermag, den Leser in ihren Bann zu ziehen.